Ein Venture-Capital-Investor beauftragte den IT-Sachverständigen mit der unabhängigen technischen Bewertung eines schnell wachsenden SaaS-Startups. Ziel des Gutachtens war die Beurteilung von Codequalität, Softwarearchitektur, Entwicklungsprozessen und technischer Skalierbarkeit vor Abschluss einer Finanzierungsrunde.
Ausgangssituation
Das Startup betrieb eine cloudbasierte Workflow-Plattform zur digitalen Prozessautomatisierung in mittelständischen Unternehmen. Die Software wuchs über mehrere Jahre durch agile Entwicklung und Kundenanpassungen stark an, wodurch technische Schulden entstanden. Im Zuge einer geplanten Series-A-Finanzierung forderte der Lead-Investor eine objektive Beurteilung der technologischen Substanz, der Wartbarkeit und der Skalierbarkeit der Plattform. Erste interne Analysen hatten auf Performanceeinbußen, unvollständige Testabdeckung und unklare Architekturentscheidungen hingewiesen.
Problemstellung
Das Ziel der technischen Due Diligence bestand darin, die tatsächliche technologische Reife des Produkts zu bestimmen und mögliche Investitionsrisiken zu quantifizieren. Zu prüfen war insbesondere:
- die Codequalität und strukturelle Wartbarkeit nach [NORM_PLATZHALTER],
- die Skalierbarkeit und Architekturrobustheit bei steigenden Nutzerzahlen,
- die Reife der Entwicklungs- und Qualitätssicherungsprozesse (DevOps, CI/CD, Teststrategie),
- das technische Risiko durch Abhängigkeiten, Frameworks oder Lizenzmodelle,
- sowie die organisatorische Verankerung von Code-Ownership, Review-Mechanismen und Dokumentation.
Vorgehen des IT-Sachverständigen
Der Sachverständige wendete ein strukturiertes Due-Diligence-Framework an, das auf internationalen Normen und Best Practices basiert:
- 1. Quellcodeanalyse: Kombination aus statischer Codeanalyse (z. B. SonarQube, ESLint) und manuellem Code-Review auf Architekturverstöße, Komplexität, Redundanzen und technische Schulden. Bewertung nach Metriken wie Cyclomatic Complexity, Code Duplication Ratio und Test Coverage.
- 2. Architektur- und Systemprüfung: Analyse der Softwarearchitektur (Microservices, Containerisierung, API-Gateway) hinsichtlich Modularität, Latenz, Datenbank-Design und horizontaler Skalierbarkeit. Überprüfung der Cloud-Deployment-Struktur (AWS ECS, Lambda, S3) auf Redundanz und Resilienz.
- 3. Prozess- und Organisationsbewertung: Evaluierung der [NORM_PLATZHALTER]. Prüfung der CI/CD-Pipelines, Branching-Strategien, automatisierten Tests und Code-Review-Protokolle.
- 4. Sicherheits- und Compliance-Check: Screening des Codes auf potenzielle Sicherheitsrisiken (OWASP Top 10, Dependency-Analyse), Bewertung der Zugriffskontrollen, Logging-Mechanismen und Backup-Konzepte.
- 5. Dokumentations- und Governance-Prüfung: Abgleich vorhandener Architekturdokumentation mit tatsächlicher Implementierung. Bewertung der Nachvollziehbarkeit von Architekturentscheidungen (Architecture Decision Records, ADRs).
Analyseergebnisse
Die technische Analyse ergab ein insgesamt funktionsfähiges, aber in Teilen heterogen gewachsenes System:
- Codequalität: Gute Strukturierung der Geschäftslogik, jedoch uneinheitliche Namenskonventionen und fehlende Unit-Tests in sicherheitsrelevanten Modulen (Testabdeckung ≈ 42 %).
- Architektur: Grundsätzlich skalierbare Microservice-Architektur, allerdings fehlte ein zentrales API-Gateway zur Lastverteilung und Authentifizierung.
- Datenbank: Monolithisches PostgreSQL-Schema mit wachsender Latenz bei hoher Parallelität; keine Partitionierungs- oder Sharding-Strategie implementiert.
- CI/CD: Build-Pipelines veraltet (Jenkins ohne Container-Isolation), fehlende Rollback-Mechanismen und keine automatisierten Integrationstests.
- Dokumentation: Architekturdiagramme unvollständig, teilweise nicht mit aktuellem Systemstand konsistent.
Erkenntnisse & Empfehlungen
Aus den Ergebnissen leitete der IT-Sachverständige einen konkreten Maßnahmenplan ab:
- Codequalität: Einführung eines verbindlichen Review-Prozesses mit Checklisten und automatisierter Codeanalyse (Static Application Security Testing, SAST).
- Architektur: Aufbau eines zentralen API-Gateways mit Rate Limiting, Authentifizierung und zentralem Monitoring (z. B. Kong, Istio).
- Skalierbarkeit: Refactoring der Datenbankstruktur (Partitionierung, Caching, asynchrone Verarbeitung mit Message Queue).
- Prozesse: Implementierung moderner CI/CD-Pipelines mit automatisierten Tests, Canary Deployments und Rollback-Optionen.
- Governance: Dokumentation von Architekturentscheidungen mittels ADRs und Aufbau eines internen Technical Steering Committees.
Reflexion
Diese Fallstudie verdeutlicht, dass eine fundierte technische Due Diligence nicht nur Risiken identifiziert, sondern zugleich den Wert technologischer Substanz messbar macht. Der IT-Sachverständige leistet hierbei einen zentralen Beitrag zur Investitionssicherheit, indem er technische Qualität, organisatorische Reife und Zukunftsfähigkeit objektiv und normbasiert bewertet. Eine saubere Softwarearchitektur und systematische Governance sind wesentliche Erfolgsfaktoren für nachhaltiges Wachstum in technologieorientierten Startups.